Racking und
Modul-Restauration

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Telefunken V672

Die V672-Module der Firma Telefunken wurden in den 1970er Jahren im Rundfunk-Studiobereich eingesetzt. Die Einzelmodule bestechen durch einen superben Klang, der sich hinter namhaften Herstellern wie API oder Neve nicht zu verstecken braucht. Sie sind zudem sehr flexibel einsetzbar, denn sie lassen sich je nach Beschaltung als Mikrofon-Vorverstärker oder Line-Verstärker nutzen. Ihren Klang würde ich mit Adjektiven wie neutral, transparent, detailreich, feinzeichnend und dennoch voll und rund beschreiben. Sie lassen sich damit flexibel auf allen Signalen einsetzen. Selbst ein einfacheres Dynamik-Mikrofon wie das Shure SM57 klingt sehr gut an diesem Vorverstärker. Hier Fotos eines Moduls mit und ohne Gehäuse:

Siemens V672-ModulModul-RackSiemens V672-Modul geöffnet

Ziel des nachfolgend beschriebenen Projekts war es, einerseits eine hochwertige Gehäuselösung für mehrere Module zu schaffen und daneben beide Möglichkeiten der Verstärkung (Line-/ Mikrofon-Preamp) nutzbar zu machen. Die Module waren zudem mit Phasenschalter, Phantomspeisung und Betriebsspannung zu versehen. Auf DI-Eingänge habe ich bewusst verzichtet, da mir hierfür separate, hochwertige DI-Boxen zur Verfügung stehen, die ich bei Bedarf mit allen vorhandenen Preamps kombinieren kann. Dieses Projekt war mein erstes Racking-Projekt überhaupt.

Stromversorgung:

Die Einzelmodule benötigen +24V Gleichspannung (DC). Ich habe hier auf das Netzteil N624 von Telefunken zurückgegriffen. Dieses Netzteil gehört zur Geräteserie und ist daher optimal auf die Preamp-Module zugeschnitten. Es wurde im Vorfeld überholt und geprüft. Als Stromversorgung für die Phantom-Speisung habe ich meine Ramped-Phantom-Power-Schaltung eingesetzt, die hier näher beschrieben ist. Beide Netzteile sind etwas überdimensioniert, da ich eigentlich vor hatte, damit weitere Module zu versorgen. Dies wurde jedoch nie umgesetzt, da ich es später für sinnvoller erachtete, jedes Gerät mit einem eigenen Netzteil auszustatten. Ich empfehle daher aus heutiger Sicht, auf das N624 und die Ramped-Phantom-Power Speisung zu verzichten und ein Standard-Netzteil zu verbauen, das +24V und +48V liefert. Anregungen hierzu finden sich hier.

Gehäuse:

Für das Gehäuse habe ich ein Aluminium-Gehäuse der Firma Schroff gewählt. Die Bearbeitung der Front- und Rückseite wurde von der Firma Schaeffer vorgenommen, die ein entsprechendes CAD-Programm kostenlos auf ihrer Website zum Download zur Verfügung stellt (FrontDesign). Die mechanische Fixierung der Module wurde mittels stabiler Metallvollprofile aus dem Baumarkt vorgenommen, die sowohl in den Seitenteilen als auch auf dem Boden des Gehäuses verschraubt wurden. Eine stabile Konstruktion ist notwendig, da die Module nebst Netzteil einige Kilogramm auf die Waage bringen.

Versorgung mit Betriebsspannung:

Zunächst wurden alle Gehäuseteile sowie die Preamps und das 24V-Netzteil mit Erdungskabeln versehen, die wiederum mit dem Erdungskabel des 230V Anschlusses verbunden sind. Details hierzu sind hier zu finden. Der 230V Eingang wurde mit einer Sicherung und den frontseitigen Schaltern für Power und Phantom Power verbunden. Der Ausgang des +24V-Netzteils dient zur Speisung der Module, die sich zudem über separate Schalter einzeln aktivieren lassen. Daneben werden die Status-LED's (Ein/Aus) der Einzelmodule und die im folgenden erwähnten Relais mit Strom versorgt. Die Vorwiderstände der LED's wurden direkt an den LED's angebracht. Erwähnenswert erscheint mir zudem, dass sämtliche Relais mit Dioden zu versehen sind. Die Spulen der Relais erzeugen bei den Schaltvorgängen negative Spannungsspitzen von mehreren Dutzend Volt, die ohne die Parallelschaltung einer Diode andere Komponenten der Schaltung beschädigen oder zerstören könnten. Details zur Beschaltung von LED's und Relais finden sich hier.

Unabhängig davon wurde die Verkabelung der Phantomspeisung vorgenommen. Gemäß DIN-Vorschrift wird dabei der +48V-Pol des Spannungsmoduls jeweils über 6k8 Ohm Widerstände an Hot und Cold der XLR-Eingänge angelegt. Der 0V-Pol wird mit der Schirmung der XLR-Eingänge verbunden. Da die von mir verwendete Schaltung Einzelausgänge für Schalter und LED's vorsieht, waren diese zudem mit der Frontseite des Gehäuses zu verkabeln. Gehäuse und Schirmung der Eingänge habe ich an den XLR-Buchsen zudem mittels 10 Ohm Widerstand gebrückt. Das grundlegende Anschlussprinzip für Phantom-Speisungen nach DIN finden Sie auch hier.

Über einen 7 - poligen Gerätestecker wurden zusätzlich alle notwendigen Spannungen und ein Erdungskabel nach außen geführt, um später ein zweites Rack mit weiteren Modulen mit Spannung versorgen zu können.

Verkabelung des Signalwegs:

Zunächst der vereinfachte Anschlussplan für ein V672 Modul mit allen Anschlussmöglichkeiten. Daneben findet sich eine Aufstellung der für dieses Projekt benötigten Anschlüsse. Alle anderen Pin's wurden nicht belegt:

Anschlussbelegung des V672-Moduls

1/2: symmetrischer Eingang
3/4: im Modul mit den Anschlüssen 7/8 gebrückt
7/8: symmetrischer Eingang
9/10: Regelung der Verstärkung
13: Kabelschirm Eingang und Ausgang
19/20: Ausgang symmetrisch
17/21: gebrückt
22/23: gebrückt
24/27: gebrückt
29: 0V Netzteil
30: Erdungskabel
31: +24V Netzteil

Das symetrische Mikrofonsignal (Wechselspannung) gelangt über die XLR-Input-Buchsen zu Pin 7 und 8 des Preamps und wird intern auf die Pins 3 und 4 gebrückt. Von dort aus erreicht es die von mir erstellte Platine, auf der sämtliche Schaltvorgänge mittels Relais vereint wurden. Relaisschaltungen bieten den Vorteil, dass die Signalwege so kurz wie möglich gehalten werden können. Das Signal läuft von der Platine an die Pins 1 und 2 zurück, um nun die Verstärkungsschaltung zu durchlaufen. Das Line-Ausgangssignal liegt dann an den Pins 19 und 20 an, die direkt mit den XLR-Output-Buchsen verbunden sind. Daneben sind auch die zur Verstärkungseinstellung notwendigen Pin's 9 und 10 mit der Platine verbunden.

Nachfolgend ist der Signalweg auf der Relais-Platine dargestellt:

Signalweg auf Relais-Platine

Das Signal durchläuft zunächst das erste Relais, das als Phasenschalter die Pole + und - (hot and cold) bei Bedarf miteinander vertauschen kann. Die Realisierung ist recht unkompliziert. Im Gegensatz dazu ist die Gainregelung schon aufwendiger. Um die Gainregelung zu verstehen, ist zunächst ein kleiner Exkurs hinsichtlich der zwei Betriebsmodi des Verstärkers erforderlich:

35 dB Verstärker:

Dieser Modus wird erreicht, indem zwischen den Pin's 9 und 10 ein unveränderlicher Gegenkopplungswiderstand (Rg) von 2,4 kOhm anliegt. Die Gainregelung wird in diesem Fall über eine Veränderung des Eingangswiderstandes (Re) realisiert.

65 dB Verstärker:

Dieser Gain - Modus wird durch Veränderung des Gegenkopplungswiderstandes (Rg) bei gleichzeitig konstantem Eingangswiderstand (Re) von mindestens 40 Ohm realisiert. Bei beiden Varianten setzt sich die Gesamtgröße Eingangswiderstand aus zwei gleichgroßen Widerständen vor den Preamp-Eingängen 1 und 2 zusammen. Um den 65 dB - Modus noch flexibler zu gestalten, wurden zudem zwei verschiedene Eingangswiderstands-Settings eingeplant, die über das Boost-Relais gewählt werden können. Der größere Eingangswiderstand ist eher für Kondensator-Mikrofone geeignet, während der kleinere Eingangswiderstand (Boost-Modus) eher für dynamische Mikrofone bestimmt ist. Alle variablen Widerstände (Re var I, Re var II und Rg var III) wurden über einen mit Widerständen bestückten Drehschalter der Marke Grayhill realisiert. Mit Blick auf die Anzahl der veränderlichen Widerstände ergab sich das Erfordernis, dass Drehschalter mit drei Ebenen und je einem Pol benötigt wurden. Um Knackgeräusche zu verhindern sind kurzschließende Drehschalter zu nutzen. Die Höhe der entsprechenden Widerstände Re und Rg habe ich anhand des folgenden Diagramms ermittelt, das ich im Internet zu den Modulen gefunden habe:

Digramm Gainregelung

Auf eine genaue Justierung der Verstärkung in 1dB-Schritten habe ich verzichtet. Vielmehr habe ich einfach Widerstände verwendet, die ich seinerzeit vorrätig hatte, worauf sich folgende praxisorientierte Verteilung ergab:


Eingangswiderstand (Re) {je 2x}

6k8
3k0
2k4
1k8
1k2
750
620
470
360
240
110
0
 

Gegenwiderstand (Rg)

2k7
5k6
13k
20k
27
36
56
82
110
160
220
330

Nachtrag vom 08.08.2010: Zwischenzeitlich hat die DIY-Community unter NRG-Recording eine nette kleine Platine entworfen, die die Funktionen für ein Modul vereint. Schaltplan und Platinenlayout finden sich hier.

Hier nun noch einige Fotos des funktionstüchtigen Racks:

Siemens V72 / Telefunken V72t

Bei den V72 Preamps der Firma Siemens sowie den V72t Preamps der Firma Telefunken handelt es sich um wahre Urgesteine deutscher Rundfunktechnik. Diese Verstärkerbausteine genießen Weltruhm und selbst die Beatles haben damit aufgenommen. Nachdem unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg die zuvor etablierte Rundfunktechnik am Boden lag bzw. durch die Siegermächte demontiert wurde, sah man sich in Deutschland der Notwendigkeit gegenüber, neue Geräte zu konstruieren. Die bis in die 1940iger Jahre genutzen V41/V42-Preamps bildeten die Basis dieser Neuentwicklungen und wurden schließlich Anfang der 1950iger Jahre durch die V72-Preamps ersetzt. Die Entwicklung wurde maßgeblich durch den NWDR in Zusammenarbeit mit dem IRT Hamburg vorangetrieben.

Die V72-Röhrenverstärkermodule wurden in sogenannten Danner-Kassetten verbaut, einem Normgehäuse. Diese Kassetten ließen sich in dafür vorgesehene Normeinschubträger einsetzen und mit dem frontseitigen Hebel arretieren. So war eine problemlose Wartung sichergestellt. Die Module liefern eine fest eingestellte Verstärkungsleistung von 34dB. Als Röhren wurden - von einigen Erstserienmodellen abgesehen - zwei EF804s pro Modul verbaut. Die Verstärkung wurde über passive Fader gesteuert. Anfang der 1960iger Jahre wurden die Röhren durch Germanium-Transistoren ersetzt, die Gerburtsstundes des V72t-Verstärkers. Nachfolgend ein Foto der Verstärkermodule:

v72 Verstärkermodul von vorn und hinten

Ziel des nachfolgend beschriebenen Projekts war es, eine hochwertige Gehäuselösung für vier V72-Module zu schaffen. Die Preamps waren mit Phantomspeisung, Gainregelung und Betriebsspannung zu versehen. Auf Ausstattung mit DI-Eingängen habe ich bewusst verzichtet, da mir hierfür separate, hochwertige DI-Boxen zur Verfügung stehen, die ich bei Bedarf mit allen vorhandenen Preamps kombinieren kann. Auch auf einen Phasendrehschalter habe ich bewusst verzichtet, da die Möglichkeit der Phasendrehung mittel nachgeschalteter Verstärkermodule realisiert werden kann.

Stromversorgung:

Die Einzelmodule benötigen 220V Wechselstrom (AC) zur Spannungsversorgung. Da heute 230V Netzspannung üblich sind, habe ich die Eingangsspannung durch Hochlastwiderstände um ca. 10V herabgesetzt.

Hinsichtlich der Stromversorgung für die Phantom-Speisung kam meine Ramped-Phantom-Power-Schaltung zum Einsatz. Details hierzu finden sich hier. Bei den V72-Preamps ist der Einsatz einer solchen Phantomspeisung besonders wichtig, um die Verstärkermodule zu schützen. Da die Eingangstrafos der Module ein hohes Übersetzungsverhältnis aufweisen, besteht die Gefahr, dass Spannungsspitzen beim einschalten stark hochtransformiert werden (2 x 1 : 20) und zu Beschädigungen führen.

Gehäuse:

Für das Gehäuse habe ich ein pulverbeschichtetes Stahlgehäuse der Firma Robeshop gewählt. Die Frontplatte wurde von der Firma NRG Recording hergestellt und bearbeitet. Hinsichtlich des Designs und der Bedienelemente habe ich mich für einen Retro-Look entschieden, der zu anderen Geräten der Zeit passt. Die mechanische Fixierung der Module wurde mittels stabiler Metallvollprofile aus dem Baumarkt vorgenommen, die aus statischen Gründen sowohl in den Seitenteilen als auch auf dem Boden des Gehäuses verschraubt wurden. Eine stabile Konstruktion ist notwendig, da die Module selbst sehr schwer sind (3 kg pro Modul).

Versorgung mit Betriebsspannung:

Zunächst wurden alle Gehäuseteile sowie die Preamps mit Erdungskabeln versehen, die sternförmig in das Erdungskabel des 230V Anschlusses münden. Um die Röhren nicht verwendeter Module zu schonen, habe ich die Module - neben dem Hauptschalter - mit einzelnen Ein/Aus-Schaltern versehen. Sämtliche Zuleitungen wurden innerhalb des Gehäuses mittels Metallgeflechtschlauch nochmals geschirmt um unnötige Einstreuungen in die Audio-Verkabelung zu vermeiden.

Unabhängig davon wurde die Verkabelung der Phantomspeisung vorgenommen. Gemäß DIN - Vorschrift wird dabei der Plus - Pol des Spannungsmoduls jeweils über 6k8 Ohm Widerstände an die Plus- und Minus - Pole der XLR - Eingänge angelegt. Der Minus - Pol wird mit der Schirmung der XLR - Eingänge verbunden. Da die von mir verwendete Schaltung Einzelausgänge für Schalter und LED's vorsieht, waren diese zudem mit der Frontseite des Gehäuses zu verkabeln. Die Schirmung der XLR-Eingänge habe ich an den Buchsen zudem mittels 10 Ohm Widerstand mit dem Gehäuse verbunden. Das grundlegende Anschlussprinzip für Phantom - Speisungen nach DIN finden Sie auch hier.

Verkabelung der Module:

Die Verkabelung der Module erfolgt anhand der folgenden Pin-Belegung:

Pin-Belgung V72-Modul

Ansicht Lötleiste von hinten (Lötpins) gesehen:

1a: symmetrischer Eingang + (hot)
1b: symmetrischer Eingang - (cold)
2a+2b: gebrückt
3a: symmetrischer Ausgang + (hot)
3b: symmetrischer Ausgang - (cold)
4a+4b: nicht belegt
5a+5b: gebrückt Erde (ground)
6a+6b: 220V Netzspannung (AC)

Zur Regelung der Verstärkung bietet sich ein (U-) PAD vor dem Eingang des Moduls an. Hinweise zur Konstruktion von Audio-PAD's (Widerstandsnetzwerken) finden Sie hier. Mittels Drehschaltern kann die durch das PAD realisierte "Vordämpfung" recht unkompliziert schaltbar gemacht werden. Meine Gain-Regelung basiert auf diesem Prinzip, wurde jedoch um folgende Schaltungsvarianten erweitert:

(1) Für moderne Kondesatormikrofone mit höherem Ausgangspegel habe ich zusätzlich ein zweites PAD mit einer anderen Widerstandsbestückung gewählt. Zwischen beiden PAD-Varianten kann mittels Kippschalter umgeschaltet werden.

(2) In Schalterstellung 12 des Drehschalters wird das PAD komplett aus dem Signalweg genommen, so dass die volle Verstärkung des Moduls ohne klangliche Beeinflussung durch das PAD zur Verfügung steht.

Während eine normale PAD-Schaltung lediglich nach einem Drehschalter mit einer Ebene verlangt, wurden zur Realisierung der vorgenannten Gimmicks Grayhill-Drehschalter mit 3 Ebenen (1 Pol pro Ebene; kurzschließend; 12 Schaltstufen) und zwei Relais pro Modul verbaut. Hierzu habe ich mir eine Platine fertigen lassen, auf der sowohl die Relais als auch sämtliche Widerstände untergebracht sind.

Hier noch einige Bilder der fertigen Gehäuselösung:

RFT / Funkwerk Kölleda MV810

Durch einen Zufall stieß ich auf sechs Vorverstärker mit der Bezeichnung MV 810, die nach meinen Recherchen Mitte der 1960iger bis Anfang der 1970iger Jahren im Funkwerk Kölleda (Thüringen) produziert und unter der Marke RFT vertrieben wurden. Die Preamps sollten schlichtweg in der Schrottpresse landen und ohne viel über die Preamps zu wissen, verhinderte ich zunächst einmal ihr Schicksaal :-) Wie sich später herausstellen sollte, war dies eine waise Entscheidung. Die Preamps verfügen über 60dB Gain und eine schaltbare Vordämpfung von bis zu 50dB. Dies macht sie äußerst flexibel, da sie auch Line-Pegel problemlos verarbeiten können. Ähnlich wie man es von westdeutschen Rundfunkprodukten dieser Zeit kennt, wurden diese ostdeutschen Preamps in genormten Einschubkassetten verbaut, die in entsprechende Trägersysteme eingeschoben werden konnten.

Nachfolgend das Foto eines Preamp-Moduls (hier bereits mit Achs-Verlängerungen bestückt):

MV810-Modul

Nach dem ersten Öffnen des etwas schmucklosen Kästchens geriet ich in Verzückung ...

Eingangstrafo Ausgangstrafo

... denn es präsentierten sich fette, geschirmte Eingangs- und Ausgangsübertrager,

Drehschalter

... Drehschalter und ...

Modularer Aufbau

... ein modularer, voll diskreter Aufbau des Verstärkers. Alles also, was man von hochwertiger, analoger Audiotechnik erwartet.

Wie ich später herausfand, handelt es sich bei fünf Modulen um die "Urversion", deren Verstärkung mittels Germanium-Transistoren erzielt wird. Einige dieser Transistoren tragen noch kyrillische Aufdrucke, so dass ich davon ausgehe, dass diese seinerzeit aus der UdSSR importiert wurden. Bei einem Verstärker handelt es sich um die "Version 2", in der Silizium-Transistoren aus ostdeutscher Produktion zum Einsatz kamen. Während die mit Germanium-Transistoren bestückten Module mit 70 mA Stromaufnahme angegeben sind, "verbrät" die Version 2 gerad mal 20mA, so viel wie eine herkömmliche LED, wirklich ein klasse Wert. Die Preamps müssen mit einer negativen Betriebsspannung von -20V versorgt werden. Welchen Hintergrund diese etwas ungewöhnliche Spannungsgröße hat, ist mir nicht bekannt. Die Beschaltung erfolgt über rückseitige Steckverbindungen, wie sie ähnlich auch an Siemens/Telefunken-Modulen dieser Zeit zu finden sind:

Ansicht auf die Steckerleiste hinten

Nach einer ersten Inbetriebnahme musste ich feststellen, dass alle Module grundsätzlich funktionierten - bis auf eins und das war ausgerechnet das jüngere "Version 2" - Modul :-) Hier war lediglich ein Draht an einem der Drehschalter abgerissen und der Fehler so schnell gefunden. Erstaunlich nach mehr als 40 Jahren. Problematisch waren allerdings die Drehschalter. Sie funktionierten durchgängig schlecht, was mit Blick auf die Schmutzschicht auf den Kontakten nicht weiter verwunderlich war. Erstmal hieß es also stundenlang Drehschalter mittels Wattestäbchen und allen möglichen Reinigungsmitteln wie Isopropanol und Kontakt 60 reinigen. Bei 12 Stufenschaltern mit jeweils 3 Decks war dies sehr zeitaufwendig, zumal ich jeden Schalter 2-fach gereinigt habe. Unsicher war ich mir bei den Elektrolyt-Kondensatoren. Hier zwei Ansichten der beiden Verstärker - Platinen:

Platine 1 Platine 2

Die ELKOs sahen grundsätzlich o.k. aus, zumindest konnte ich keine größeren Lecks oder ausgelaufene Flüssigkeit entdecken. Ich habe mich dann trotzdem entschieden, einen Verstärker "zu opfern" und habe dort alle ELKOs ausgelötet und nachgemessen. Da die Kapazitäten doch teilweise heftig von den aufgedruckten Werten abwichen und sich unter einzelnen Elkos dann doch einige Hinweise auf Flüssigkeitsverlust fanden, habe ich mich entschlossen die Verstärkermodule komplett zu "recapen" - wie man neudeutsch so schön sagt. Danach sahen die Module so aus:

Platine 1 neu mit Elkos bestückt Platine 2 neu mit Elkos bestückt

Naja, die silbernen ELKOs machten schon mehr her, aber ein zuverlässiger Betrieb der Module ist mir wichtiger als der Originalzustand. Und nun ist zudem etwas mehr Platz auf den Platinen. Da die Leiterbahnen auf der Rückseite sehr breit angelegt sind, ging das Recaping problemlos von der Hand. Ich hatte mich nach dem ersten Antesten bereits entschieden, die Module zu behalten und in einen gebrauchsfähigen Zustand zu versetzen, denn sie klingen großartig und können mit den V276's dieser Welt locker mithalten. Im Netz finden sich weitere Kosenamen wie "Neve des Ostens", die meines Erachtens gerechtfertigt sind. Und was brauchte es nun für den Betrieb der Module? Wer meine anderen Blogs schon gelesen hat, weiß was jetzt kommt:

Ein nettes Gehäuse musste her, diesmal im Fichtengrün mit gelb ausgelegter Schrift - so langsam habe ich alle verfügbare Farben meines Frontplatten-Lieferanten durch. Eine Platine meiner Ramped - Phantom - Power - Schaltung hatte ich noch rumliegen. Schnell noch ein paar Relais für das Drehen der Phase am Ausgang gelochrastert. Für die Spannungsversorgung habe ich eine Schaltung auf Basis des LM337 Spannungsregler und zur Versorgung der LED's und der Relais eine Schaltung auf Basis des LM317 Spannungsreglers aufgebaut. Beide Spannungsregler werden über seperate Trafoausgänge gespeist.

Bei der Spannungsversorgung für die LED's gab es ein paar Probleme, da die Schaltung aus dem Internet stammte, aber offensichtlich nicht funktionierte. Ich habe mich dann an die Standard-Vorgabe für den LM317-Regler gehalten und dann funktionierte alles. Fazit: Glaube nie Schaltungen aus dem Internet, die du nicht vorher getestet hast. Apropos Testen: Hierzu kann ich im Vorfeld des endgültigen Schaltungsaufbaus Experimentierplatinen nur wärmstens empfehlen!

Mit sechs Modulen war der Platz im Gehäuse dieses Mal ausgereizt. Um die Schalter für On/Off, Phantom und Phase auf der Frontplatte unterzubringen, führte kein Weg daran vorbei, die Module komplett in das Innere des Gehäuses zu verlegen und die Drehschalter mittels Achsdurchführungen herauszulegen. Das funktionierte auch problemlos.

Hier nun noch in gewohnter Weise einige Bilder des fertigen sechskanaligen Vorverstärkers:

Vorderansicht des fertigen Racks Blick auf die Drehschalter

Auf diesem Bild kann man auch die originalen Knöpfe der Drehschalter bewundern. Im Netz werden diese Verstärker oft "Neve des Ostens" genannt und die Knöpfe der Drehschalter dürften an diesem Titel Anteil haben.

Blick in das geöffnete Rack-Gehäuse

Absoluter Platzmangel: Rechts neben die Module passte gerade noch die Ramped-Phantom-Power-Platine. Hinten ist die Spannungsversorgung für die Module, die LED's und die Relais zu sehen. Beide Trafos wurden zusätzlich mit Abschirmblechen versehen, die ich seit dem Bau des G9-Preamps einsetze. Den Inbetriebnahme-Whisky in der Bildecke oben rechts kann ich vorbehaltlos empfehlen. Ich wusste gar nicht, dass es im Harz eine so gute Whisky-Destillerie gibt. Ohne Whisky aus Zorge keine Inbetriebnahme mehr - fahrt mal hin!

Nachtrag vom 02.12.2018: Die originalen Drehschalter haben sich trotz ausgiebiger Reinigung während des Betriebs als ziemlich unzuverlässig erwiesen. Ich habe mich daher entschlossen, die Drehschalter zu ersetzen. Dafür habe ich Grayhill-Drehschalter verwendet und zwei kleine Platinen fertigen lassen. Nun funktionieren die Module auch für die nächsten 50 Jahre einwandfrei :) Hier noch ein paar Bilder vom Austausch der Drehschalter:

Vorderansicht des fertigen Racks Vorderansicht des fertigen Racks Vorderansicht des fertigen Racks Vorderansicht des fertigen Racks

RFZ V741c

RFZ steht für Rundfunk- und Fernsehtechnisches Zentralamt und war in die Deutsche Post der DDR eingegliedert. Dort wurden unter anderem hochwertige Studioverstärker produziert, die bei Rundfunk und Fernsehen sowie in größeren Kulturhäusern der DDR zum Einsatz kamen. Von den V741c - Preamps konnte ich sechs Stück ergattern. Da es sich in der Regel um Einzelanfertigungen handelte, sind die Preamps sehr rar.

Sie sind schaltungstechnisch den bereits vorgestellten MV810 - Verstärkern ähnlich. Sie verfügen allerdings über keinen eigenen Ausgangstrafo. Die V741c waren als Einschubkassetten für Regietische konzipiert. Da der Signalfluss innerhalb der Regietische unsymmetrisch erfolgte, verfügen die V741c - Preamps über einen unsymmetrischen Ausgang. Die Symmetrierung erfolge im Regietisch am Ende der Signalkette - meist nach dem Fader - durch separate Ausgangstrafos des Typs AÜ 35. Um die Preamps autark zu nutzen, musste ich daher zu Beginn des Projektes zunächst zugehörige Ausgangstrafos besorgen. Dies war leichter als gedacht, da ich bei einem großen Auktionshaus fündig wurde. So werkeln jetzt vier Ausgangstrafos aus dem ehemaligen Bestand von DT64 und zwei weitere aus Südthüringen in meinem Rack.

Die Preamps verfügen über insgesamt 76dB Gain, wobei sich 6 dB über einen stufenlosen Verstärkungsregler von 6 dB feinjustieren lassen. Die "Hauptverstärkung" kann in 5dB-Schritten durch einen Stufenschalter umgeschaltet werden. Daneben verfügen die Kassetten über eine schaltbare Vordämpfung von bis zu 50dB. Dies macht sie äußerst flexibel, da sie auch Line-Pegel problemlos verarbeiten können. Im Vergleich zu den MV810 verfügen die V741c über ein weiteres Feature: So sind Dämpfungsumschalter und Verstärkungsumschalter mit einer mechanischen Verrieglung versehen, die gewährleistet, dass eine Vordämpfung erst dann eingeschaltet werden kann, wenn der Verstärkungsumschalter auf die kleinste Verstärkung zurückgedreht ist. Dadurch werden Verstärkungseinstellungen, bei denen nicht der optimale Störabstand erreicht wird, vermieden. Bilder der Module befinden sich beispielsweise unter radiomuseum.org.

Hier noch ein Bild der Ausgangstrafos AÜ 35, die wie bei hochwertiger Studiotechnik üblich, in MU-Metall-Gehäuse verpackt sind.

Ausgangstrafos AÜ35

Die größte Herausforderung war wieder, ein Netzteil zu entwerfen. Da meine Preamps so langsam aber sicher fast alle gerackt sind, war es nun an der Zeit, noch ein paar ungenutzte Schaltungen zu vereinen. So lag noch eine ältere Platine meiner Ramped Phantom-Power Schaltung rum. Zudem hatte ich zu Testzwecken eine Schaltung mit -20V auf Lochrasterplatine aufgebaut, die ich um eine Schaltung für +12V ergänzte. Zudem war wieder eine Platine mit Relais für Phasen-Umschaltung anzufertigen, was ich auch diesmal der EInfachheit halber über Lochraster-Platine bewerkstelligte. Die Module können mit -20V bis -24V betrieben werden. Die +12V habe ich für die LED's und die Relais benutzt.

Auch bei diesem Projekt wurde es ordentlich eng im Gehäuse, da zusätzlich die Ausgangstrafos unterzubringen waren. Es blieben nach vorn und hinten nur wenige Millimeter Platz. Zum Glück klappte alles wie geplant. Da ich die MV810 mit grüner Frontplatte und gelber Beschriftung versehen hatte, habe ich mich bei diesem Projekt für die umgekehrte Farbgebung entschieden.

Frontplatte

Nachfolgend noch einige Bilder des fertigen Racks, das gleichzeitig mein vorletztes Preamp-Projekt sein wird - da wird doch wohl keine Wehmut aufkommen..... keine Angst, da sind noch weitere Ideen zu bewerkstelligen.

Rack fertig von vorn Rackansicht vorn seitlich Rackansicht vorn seitlich Rackansicht von oben Blick auf das Netzteil Blick auf die Relaisplatine Blick auf die eingebauten Module

Siemens V276

Die sogenannte Siemens SiTral-Technik entstand in Form von modulbasierten Mischkonsolen als unmittelbare Weiterentwicklung der Siemens Röhrentechnik Mitte der 1960er Jahre für den deutschen Rundfunk. Das Siemens V276-Modul ist als unmittelbarer Nachfolger des V76-Röhrenmoduls zu sehen und in volldiskreter Transistortechnik als Class A-Verstärker aufgebaut. Selbstredend sind Ein- und Ausgänge trafosymmetriert. Die Verstärkung erfolgte erstmals auf Basis von Silizium-Transistoren, welche die Germanium-Transistoren ablösten. Die Module wurden als Eingangsverstärker in SiTral-Mischpulten verwendet.

Nicht ohne Grund handelt es sich bei den V276 auch heute noch um sehr beliebte Vorverstärkermodule. Sie bieten bis zu 86dB-Verstärkung bei besten technischen Daten. Die Verstärkung kann über einen 11-poligen Stufenschalter grob gewählt werden. Über ein Poti stehen weitere 10dB zur Feinjustierung zur Verfügung. Daneben ist ein Hochpassfilter an Bord, der sich für 40Hz / 80 Hz und 120 Hz aktivieren lässt.

Die Module bieten mittigen Vintage-Charme bei klar definierten Bässen und seidiger Höhenwiedergabe. Sie sind für alle Signale geeignet und bringen genug Verstärkung mit, um auch Bändchenmikrofone nutzen zu können.

Gehäuselösung

Um die Module zum Leben zu erwecken, musste wieder eine Gehäuselösung her. Ein 2HE-Gehäuse von Schroff hatte ich noch rumliegen. Als Besonderheit für dieses Projekt nahm ich mir die zusätzliche Ausstattung der Module mit aktiven DI-Eingängen vor. Und... ein paar bunte LED's wollte ich auch mal ausprobieren :-)

DI-Eingang

Hier nutzte ich eine kleine Schaltung auf Basis zweier IC's TL071 sowie einigen Widerständen und Kondensatoren als Impedanzwandler. Die Direct-Injection-Eingänge können mittels Relais auf die Eingänge der Module geschaltet werden.

Schaltung DI-Input
Netzteil

Für die Stromversorgung wurden verschiedene Spannungen benötigt. +24V für die V276-Module, 48V für die Phantomspeisung von Mikrofonen, +18V / -18V zur Versorgung der IC's der DI-Eingänge, 12V für Relais und LED's. Das Netzteil mit den verschiedenen Spannungen habe ich individuell zugeschnitten auf dieses Projekt auf Lochrasterplatine aufgebaut.

Hier ist die Netzteilplatine zu sehen, der Ringkerntrafo wurde zudem mit einem Trafo-Abschirmblech versehen, um Einstreuungen zu vermeiden.

Netzteilplatine

Beim Befestigen der Spannungsregler am Gehäuse ist peinlichst genau auf eine perfekte Isolation zum Gehäuse zu achten. Entsprechendes Isolationsmaterial gibt es zu kaufen. Das Gehäuse lässt sich regelmäßig gut zur Wärmeableitung als großer Kühlkörper nutzen.

Hier noch einige Bilder:

Rack fertig von vorn

V276 Modul Nahansicht

Rack fertig von oben

Rack fertig Gehäuse geöffnet